Von Doro Dietsch / Werner Schmitz-Dietsch
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Marhaba – willkommen im Heiligen Land (Beginn der Serie: 1)
Gerade erst angekommen in Beit Jala (Westbank, von Israel besetzt und kontrolliert) und unter Führung von Axel Becker einen ersten Rundgang durch die engen Gassen gemacht, haben wir Bergisch Gladbacher schon das erste offizielle Treffen in Beit Jala: mit Pfarrer Jadallah Shilhadeh von der Church of Reformation.
Das vergisst man ja gerne, dass in Palästina auch Christen leben. In Beit Jala sogar 60 Prozent – orthodoxe, protestantische und katholische!
Pfarrer Shilhadeh sagte den großartigen Satz:
“Die Israelis können erst glücklich sein, wenn die Palästinenser glücklich sind.”
Diskutiert wurde an diesem Abend intensiv die Frage, ob zu der deutsch-palästinensischen Städtepartnerschaft noch eine israelische mit ins Boot geholt werden könnte. Shilhadeh wörtlich:
“Israelis sind uns in unserer Abrahamsherberge immer willkommen!”
Darüber waren insbesondere die Ratsmitglieder Doro Dietsch und Ingrid Koshofer glücklich, denn durch die “Wir sind drei Brüder”-Städtepartnerschaft nimmt man allen Kritikern der Beit Jala-Bergisch Gladbach-Partnerschaft den Wind aus den Segeln.
Werner Schmitz-Dietsch gehört zur ersten von zwei Reisegruppen, die zur Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde am 12. März nach Beit Jala gereist ist – und wird für das iGL Bürgerportal berichten. Nach Karneval wird eine zweite Gruppe unter Führung von Bürgermeister Lutz Urbach nach Palästina fliegen. Urbach legt Wert auf die Feststellung, dass sämtliche Reisekosten von den Teilnehmern gezahlt werden; das Stadtsäckel bleibe unangetastet. Voraussetzung für den Ratsbeschluss über die neue Städtepartnerschaft sei gewesen, dass in Zeiten des Nothaushalts dafür keine Kosten anfallen dürfen.
700 Kilometer Mauer … (2)
…davon sind 400 schon quer durch Palästina und Beit Jala gebaut
Eine bedrückende Ansicht: Durch das Gebiet von Beit Jala wird von den Israelis “zum Schutz” eine hässliche Betonmauer gebaut, die zudem auch noch viel Geld kostet. Was könnte man nicht alles Sinnvolles von diesem Geld finanzieren: Kindergärten, Häuser, Begegnungsstätten…
Die Mauer war beeindruckend hässlich, besonders nachdem wir zuvor soviel beeindruckend Schönes gesehen hatten. Doch der Reihe nach: Früh am Morgen trafen wir zuerst Dr. Samir Hazboun von der Handelskammer Bethlehem (Bethlehem ist nur zwei Kilometer von Beit Jala entfernt). Er erklärte uns, 35.000 Studenten machten jedes Jahr in Palästina ihren Abschluss, aber nicht einmal ein Drittel erhalte anschließend einen Job. Zwar sei die Arbeitslosigkeit von 45 Prozent im Jahr 2005 auf 23 Prozent in diesem Jahr gesunken, aber jeder Geldtransfer werde von der CIA überprüft.
Ein Schritt nach vorne sei die Versicherung für Investoren von der World Bank. “In god we trust, in cash we believe”, sagte Hazboun und seufzte: “Die Israelis haben großartige Kontakte in der Welt, wenn wir nur mehr mit ihnen zusammen arbeiten könnten!” Kerzen und Keramik, Schnitzereien aus Olivenholz, Stickereien und Silberarbeiten werden hier gefertigt.
Bei kühlem Wind aber Sonnenschein ging es anschließend zu den Hirtenfeldern von Beit Sahou in Bethelehm. Hier lernten wir von unserem Führer Faraj Lati, dass die Hirten früher in Grotten lebten. Über der Grotte, an der angeblich damals der Engel den Hirten erschien, wurde eine kleine Kirche gebaut. Weit hatten es die Hirten übrigens nicht: Der Höhlen-Stall, in dem Jesus geboren wurde, liegt in Sichtweite.Überhaupt ist das Land viel kleiner, als wir es uns vorgestellt haben.
Lati versucht uns die unterschiedlichen Restriktionen in der A-,B- und C-Zone zu erklären, aber das ist so kompliziert, dass wir das zu hause sicher wieder vergessen haben… Außerdem freut er sich über die Kakteen: sie wurden früher um die Häuser gepflanzt, um wilde Tiere und Feinde abzuwehren.
Tourismus muss natürlich auch sein: wir besichtigen die kleinste Basilika der Welt, die Geburtskirche Christi sowie die Höhlen, in denen Hieronymus das Testament ins Lateinische übersetzt hat (aus dem Hebräischen und Altgriechischem).
Nach diesen Schönheiten das Kontrastprogramm: Besuch des Flüchtlingslagers Deheishe. Noch heute leben 18.000 Flüchtlinge in
Bethlehem und hoffen auf Entschädigung oder Rückkehr. Viele haben noch den Haustürschlüssel der verlassenen Häuser bei sich. Ein riesiger Schlüssel als Mahnmal in der Nähe von Ruths Grab drückt die Hoffnung aus, einmal wieder in die Heimat zurück zu können.
Die Mauer ist übrigens höher, als die Berliner Mauer war. Hoffentlich erleben wir eines Tages, dass auch sie wieder abgebaut wird…Mal sehen, was Suhail Khalilieh dazu sagt, der uns jetzt einen Vortrag darüber halten möchte…
Ganz schön anstrengend, dieses Programm, aber Erholungsurlaub hatten wir ja auch nicht gebucht!
Die Wiege dreier Weltreligionen (3)
Die Wiege dreier Weltreligionen (Jerusalem) liegt von Beit Jala aus gesehen hinter einer acht Meter hohen Mauer mit Wachtürmen. Und diese Mauer ist den palästinensischen Häusern direkt vor die Nase gebaut worden.
Während wir dank unseres deutschen Reisepasses den Checkpoint (der sehr an DDR-Zeiten erinnert) rasch hinter uns lassen können, wird der Palästinenser vor uns gründlichst untersucht – inklusive Fingerabdrücke, Ausweiskontrolle und langem Palaver.
In Jerusalem besuchen wir zunächst das Auguste Victoria Zentrum. Hier hat Kaiser Wilhelm die Himmelfahrt-Kirche gespendet und sogar eine sechs Tonnen schwere Glocke von Deutschland nach Jaffa schiffen lassen.
Das ging schnell, nur der anschließende Transport zur Kirche nicht, da es keine Straßen gab, erklärt uns Florin Wal. Der 19-Jährige macht gerade ein soziales Jahr in Bethlehem und erzählt uns auch von einer Schießerei, die gerade einmal eine Woche her ist. Florin zeigt uns vom Turm aus auch ein Grundstück neben der Kirche: Hier habe der Besitzer an einen Jordanier verkauft, der wiederum mit viel Gewinn an einen Israeli und während der Jordanier sich mit dem Geld nach Amerika verschwunden sei, entstehe nun auf dem Gelände eine weitere jüdische Siedlung (auf palästinensischem Gebiet).
In der Kirche wird versucht, Israelis und Palästinenser zusammen zu bringen, aber es gelingen nur winzige Fortschritte: ein Konzert, bei dem beide Gruppen unter den Zuhörern sind etwa. Für eine echte Begegnung haben beide Seiten zu viel Angst.
Vom Ölberg aus wandern wir dann hinab zu der Stelle, an der Jesus weinte, weil er Bethlehem sah und wusste, was auf ihn zukommt. Weiter gehts zum Garten Gethsemane, in dem sich eine Gruppe Südkoreaner unter den Olivenbäumen tummelt. Und schließlich durch das Löwentor zur Via Dolorosa. An der Klagemauer trauern die
Juden um den verlorenen Tempel (das Stück, an dem die Männer klagen, ist dreimal so groß wie das Stück Klagemauer für Frauen und Kinder); wenig weiter verweigert uns ein Muslim, Fotos von seinem Heiligtum, dem Felsendom zu machen. Und die Grabeskirche ist voller Menschen, die singen, beten, Kerzen anzünden. Auf dem Stein, auf dem angeblich der tote Jesus einbalsamiert wurde, knien Menschen: Sie verteilen ihre Anziehsachen, weil sie glauben, dass diese dadurch gesegnet werden.
Was Jesus wohl dazu gesagt hätte? Hat er nicht gesagt, wir sollten ihn nicht auf Erden suchen?
Die älteste und tiefst gelegene Stadt der Welt (4)
Heute waren wir im Toten Meer und haben das Salz geschmeckt und den angeblich Schönheitsfördernden Schlamm auf uns verteilt. Die Bilder davon sind super, aber leider nicht zu veröffentlichen…
Dann haben wir mit einer Torte Axel Beckers Geburtstag gefeiert. Der hatte zwar gar nicht Geburtstag, aber es hat Spaß gemacht und wir haben überlegt, dass er ab jetzt von uns ein Geburtstagsabonnement bekommt und wir jeden zweiten Tag eine Torte für ihn kaufen. Schwarzwälderkirsch am Toten Meer, während ringsum die Russen Spaß daran haben, im Wasser nicht untertauchen zu können!
Allerdings hat das Panorama auch eine triste Seite, denn der Wasserspiegel des Toten Meers sinkt dramatisch. Das Wasser des Jordan, das den See gespeist hat, wird für die Landwirtschaft gebraucht. Heute schon liegt das Tote Meer 400 Meter unter dem Meeresspiegel: Minus 400, es war ganz schön tief mit uns bergab gegangen.
Anschließend haben wir Jericho besucht.
Die Stadt war überhaupt nicht so, wie wir sie uns vorgestellt hatten, sondern eine einzige staubige Baustelle.
Trotzdem haben wir dort Datteln gekauft, um die palästinensischen Straßenhändler ein wenig zu unterstützen.
Auf der Rückfahrt Richtung Jerusalem sammelten wir genau an der Stelle, an der der gute Samariter geholfen hat, eine Gruppe von 30 Jugendlichen auf, deren Bus liegengeblieben war. Wir sangen ihnen dafür in unserem Bus Karnevalslieder vor, schließlich sollte die Reise nach Palästina ja dem gegenseitigen Austausch dienen.
Morgens hatten wir im Gottesdienst der evangelisch-lutherischen Reformationskirche schon Lieder mitgesummt. Die Melodien der Lieder waren vertraut, nur der Text halt arabisch.
1862 wurde den Protestanten in Beit Jala erstmals ein Haus zum Beten gegeben. Neben dieser Kirche gibt es in dem kleinen Ort noch zwei griechisch-orthodoxe Kirchen, zwei Moscheen und eine lateinisch-katholische Kirche (seit 1858).
Fahrt von Beton- zu Felsenwüsten (5)
Heute führten uns zwei Israelis: ein arabischer und ein jüdischer. Rotem Mor, 29, hatte nach ein paar Jahren Militärdienst genug und weigerte sich, weiter der Armee zu dienen. Für diese Entscheidung zahlte er mit einigen Jahren Gefängnis. Heute setzt er sich für die Entmilitarisierung ein.
Sein Freund Tarik zeigte uns Häuser von Palästinensern, die von Israelis kurzerhand konfisziert wurden. Muss merkwürdig sein, das Haus eines anderen zu bewohnen und die empörten Nachbarn ringsum zu ignorieren. Diese Siedler leben halt dort aus ideologischen Gründen, um das Gebiet zurück zu erobern, und nicht, weil es schön oder preiswert ist… Im Stadtteil Silwan führten sie uns in ein Protestzelt, hier kämpfen die Bewohner gegen den Abriss ihrer 80 Häuser.
Die Israelis möchten hier einen “Garten von David” errichten, unterhalb eines Museums, mitten im Palästinensergebiet. Für den Abriss ihrer Häuser müssen die Besitzer sogar noch selbst zahlen, denn angeblich haben sie in den 60er Jahren ohne Baugenehmigung gebaut. Die Anordnung, ihre Häuser zu räumen, haben sie schon bekommen, erste Gebäude wurden zerstört und die Straße umbenannt. So werden im Zentrum von Jerusalem Fakten geschaffen.
Rotem, wiewohl selbst jüdischer Israeli, meinte, jeder Konflikt könne Menschen weiterbringen, wenn keine Gewalt gebraucht werde. Israelis und Palästinenser seien gar nicht so unterschiedlich, wie viele meinten: “Wenn sich beide als gleichberechtigt erachten, kann man eine gemeinsame Zukunft planen, aber ohne gegenseitigen Respekt für den anderen gibt es keine Lösung.”
Von der Betonwüste ging es anschließend in die Steinwüste. Aus Einsiedlerhöhlen in der Nähe des Gidron-Flusses entstand im Laufe der Zeit das Kloster Mar Saba in der Wüste.
Absolute Ruhe, ein sanftes Licht und das verspielte Gebäude mit Türmchen, das sich an einen steilen Felsen schmiegt, lohnen die Wanderung dorthin. Mit dem Bus kann man nicht bis zum Kloster fahren, die Straße ist zu eng und kurvenreich. Man sieht Beduinenbehausungen, Dromedarherden und leider auch wilde Müllkippen auf den steinigen Hügeln, die mitunter steil bergab fallen. Hier kann man sich richtig vorstellen, wie es zu Jesu Zeiten wohl überall in Palästina ausgesehen haben mag: als es nur Steinwüsten und noch keine Betonwüsten gab.
Das Gedenken an die Vergangenheit … (6)
…und die Gestaltung der Zukunft
Tamar Avraham ist eine ungewöhnliche Person. Geboren und aufgewachsen in Deutschland, konvertierte sie zum Judentum und arbeitet heute in Jerusalem. Sie zeigte uns die besonders schönen Ecken der Stadt wie eine bezaubernde jüdische Siedlung, die sich “Wohnstätte der Sorglosen” nennt.
Zunächst ging hier die Widerstandslinie an der Mauer entlang, aber später, als sich die Grenze verschob, entstand ein elegantes Viertel für amerikanische Juden, die hier ihren Zweitwohnsitz haben. Wir sahen erstmals wieder blühende Blumen in Balkonkästen, sauber gekehrte Wege und – tatsächlich – eine echte Windmühle.
Der Löwenbrunnen ist ein Geschenk der deutschen Bundesregierung (der Löwe von Juda ist zum Stadtwappen von Jerusalem geworden) und der Blick vom Löwenbrunnen auf die schottische Kirche St. Andrews beweist, dass hier jede Nation versucht, Präsenz zu zeigen.
Wir fanden sogar eine Heinrich-Heine Straße, mehr aber noch Spuren der Briten wie rote Briefkästen und Pfadfinder, was an die britische Mandatszeit erinnert. Tamara zeigte uns aber auch Gebäude, um deren Besitz gestritten wird wie das belgische Konsulat sowie das schwer bewachte Privathaus von Benjamin Netanjahu (den amtierenden Ministerpräsidenten Israels); außerdem das Zelt, in dem die Eltern des verschleppten israelischen Soldaten mahnend ausharren und auf seine Rückkehr warten sowie den arabischen Friedhof.
In der Jerusalemer “Großen Synagoge” erklärte sie uns, Synagogen seien ursprünglich Lehrhäuser gewesen und hätten die Tempel (für den Opferkult) nach und nach auch als Bethaus abgelöst. Schulen aber seien sie bis heute geblieben. Während wir in der Synagoge ihren Erklärungen über den Thora-Schrein lauschen und hören, wie teuer Thora-Rollen sind (weil sie handgeschrieben werden), putzen muslimische Frauen mit ihren typischen Kopfbedeckungen neben uns die Stuhlreihen. Wir christlichen Frauen müssen hier keine Kopfbedeckung tragen, wohl aber die Männer, die eine Kippa aus Pappe bekommen, was ein bisschen an Pommes-Frites-Schachteln erinnert.
(Übrigens: Hebräisch war als Gebetssprache nie ausgestorben, aber als säkulare Sprache wurde sie nicht mehr benutzt, bis der Staat Israel diese alte Sprache wiederbelebte und eine ganze Reihe neuer hebräischer Worte erfinden musste.)
Nach einem kurzen Blick auf die Knesset ging es nach Yad Vashem, der zentralen Gedenkstätte zur Mahnung an die Geschehnisse der Shoa. Tamara schaffte es, fast emotionslos die Geschichte der ermordeten Juden zu erzählen, was sicherlich besonders schwer war. “Die Überlebenden lehren uns, dass es möglich ist, aus dem Verlust und dem Schmerz Kraft zu schöpfen, um eine bessere Welt aufzubauen und für eine moralische und humane Zukunft unserer Kinder einzutreten.”
Treffen mit NRW-Ministerpräsidentin (7)
Drei Mitglieder des Städtepartnerschafts-Vereins Bergisch Gladbach – Beit Jala e.V. haben heute in Beit Jala Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft getroffen.
Während die anderen zur Uni Ramallah fuhren, berichteten Roland Neu, Norbert Sprenger und Doro Dietsch Hannelore Kraft, die derzeit auch Bundesratspräsidentin ist, von den bereits geknüpften Kontakten zwischen Bergisch Gladbach und Beit Jala.
Das Treffen fand statt in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, die von “Lifegate Rehabilitation – Aktion Sühnezeichen” betrieben wird. Kraft “überreichte” ein Fahrzeug für den Personentransport, welches bereits rollstuhlgerecht ausgebaut wurde.
Burghard Schunkert, Leiter von Lifegate, betonte, dass sich seine Organisation ohne staatliche Förderung seit 1987 um die Belange von Menschen mit Behinderung im Westjordanland kümmert: Als einzige Einrichtung in der Westbank betreibt sie Beratung, Frühförderung, Maßnahmen im Bereich Bildung und Ausbildung und Integration durch eine Werkstatt für Behinderte. Die mehr als Kinder kommen tagsüber und kehren abends in ihre Familien zurück. Das Ganze wird überwiegend durch Zuwendungen aus Deutschland (Misereor, Caritas, Land NRW) sowie den Verkauf selbst hergestellter Geschenkartikel landestypischen Charakters finanziert. Zur Zeit entsteht in Beit Jala ein imposanter Neubau für die Einrichtung
Die Ministerpräsidentin begrüßte sowohl diese sozialen Projekte als auch die städtepartnerschaftliche Initiative. Sie unterstrich, dass das Engagement aus dem Bürgertum besonders wichtig sei, denn eine Städtepartnerschaft lebe nur, wenn sich die Bürger für solche Begegnungen engagierten. Kraft wollte wissen, wie die Städtepartnerschaft entstanden sei. Beeindruckt war sie zu hören, dass es eine fünfjährige Vorarbeit und bereits zwei Besuche des Bürgermeisters von Beit Jala in Bergisch Gladbach gegeben hat und das langjährige Engagement von Pfarrer Axel Becker nun Früchte trägt; und vor allem, dass Israelis und Palästinenser schon heute dank des Vereins die Möglichkeit hätten, einander zu begegnen.
Nachmittags warfen wir einen Blick in die Redaktionsräume der Nachrichtenagentur “Palastine news Network”, kurz pnn.
Vier Volontäre aus Deutschland schreiben hier für die deutsche Seite, es gibt aber auch einen Amerikaner und einen Engländer für die englische Version sowie natürlich Festangestellte für die arabischen Seiten. Die vier Deutschen wohnen in einer Wohngemeinschaft im Flüchtlingscamp.
Es gibt sehr viele Projekte in Bethlehem, die von deutschen Ehrenamtlern oder Zivildienstleistenden unterstützt werden und Moritz fragt sich schon, wie die weiter laufen sollen, wenn der Zivildienst in Deutschland aufhört. Ob Geld da sein wird, dass Einheimische diese Arbeiten übernehmen und dafür bezahlt werden?
http://german.pnn.ps
Bürgermeister bringt Regen mit (8)
… und in Beit Jala ist man hoch erfreut darüber
Kaum ist Bürgermeister Lutz Urbach mit einer weiteren Delegation aus Bergisch Gladbach im Anflug auf Tel Aviv, ändert sich das Wetter: eiskalt und regnerisch. Die Palästinenser freut`s, Regen ist hoch willkommen. Tapfer stehen wir dennoch vor dem Eingang zum Tempelberg, um die Heilige Stätte von Nahem zu sehen. Ab er gerade, als wir an der Reihe wären, durch das Nadelöhr das historische Zentrum betreten zu können, wird der Eingang geschlossen – um zehn Uhr wird der Tempelberg dicht gemacht, egal wie lange die Wartenden vorher im Regen angestanden haben.
Nachdem wir gestern pnn kennen gelernt haben (wir hatten die Reporterinnen auf der Straße getroffen und dann in der Redaktion besucht), ergaben sich heute wieder nette Zufalls-Begegnungen. Leo, ein deutscher Student aus Halle, saß im Bus neben uns und erzählte von seiner vorübergehenden Arbeit im SOS-Kinderdorf. Omar Nassar lud uns gleich ein, seine Firma zu besuchen.
Wir sagten zu, verabredeten 16 Uhr und luden auch die anderen aus der Gruppe ein, mitzukommen. Erfreulicherweise begleiteten uns 12 Bergisch Gladbacher zu der “Al Nasser Natural Limestones” Firma.
Das hatten wir nicht erwartet: eine flammneue Halle, Riesenmaschinen und Steinblöcke, groß wie ein Schlafzimmer. Von den Sägemaschinen werden sie wie Papier in feine Kalksandsteinscheiben geschnitten. Omar zeigte uns auch gleich noch das Unternehmen seines Freundes, die Hadil-Mosaik-Produktion. Dort entstehen in Handarbeit verdcheidene Boden- und Badezimmerfliesen, unter anderem entzückende Zierfliesen, in die kleine Schmuckstücke wie Kreuze, Schlüsselchen oder Muscheln eingelassen und mit einer Glasscheibe versiegelt sind.
Uns wurde nach typisch arabischer Gastfreundschaft-Manier Tee und Gebäck gereicht. . Kontakt per Mail: bethlehemstone(at)yahoo(dot)com
Sabbat-Gebet in einem Kibbuz (9)
Wolkenbruch in Jaffa. Wir finden Zuflucht in einem arabisch-hebräischem Theater. Der weltberühmte israelische Künstler Dani Karavan, der es unterstützt, hatte uns bereits angemeldet. Zwei künstlerische Direktoren (der eine arabischer, der andere hebräischer Israeli) servieren uns heißen Tee, Erdbeeren und Kaffee.
Das Theater ist ein Platz, an dem sich Palästinenser und Juden zuhören können. “Gekämpft” wird nicht mit Waffen, sondern mit Theaterstücken – undzwar um Verständigung. Nicht Belehrung ist das Ziel, sondern emotionale Annäherung durch musikalische, witzige, ernsthafte Stücke. Am Abend zuvor, im Rahmen eines Frauenfestivals, war es auf der Bühne um eine jungen Frau gegangen, die an einen älteren Mann verheiratete wurde. Das Publikum habe sich kaputt gelacht, wird berichtet.
Die (ehrenamtlichen tätigen) Art Directors erklären uns: In manchen Stücken sei ein und derselbe Schauspieler mal der Palästinenser, der am Checkpoint warten muss und mal der Soldat, der ihn kontrolliert. Einen Abend werde nur hebräisch gesprochen, einen anderen nur arabisch, manchmal würden simultan beide Sprachen gesprochen. Verrückt: Als jüdischer Künstler darf man offensichtlich in Tel Aviv (Jaffa ist inzwischen ein Ortsteil) alles sagen, was man möchte.
SMS von unserer Tochter aus Köln: In Japan habe es einen Tsunami gegeben. Später Telefonat mit unserer Tochter in Berlin, um Einzelheiten zu erfahren.
Um 17 Uhr sind wir im Kibbuz Gezer angekommen. David Gold, Ehemann der Rabbinern Miri Gold, gehört zu den Gründern. Kibbuz, so definiert er, sei eine demokratische jüdische Gemeinschaft, die auf Gerechtigkeit aufbaue. Das wundert uns, er bezieht die Gerechtigkeit aber allein auf das Kollektiv. “Früher hieß Gerechtigkeit, alle bekommen das Gleiche”, erzählt er, “heute bedeutet Gerechtigkeit, wer mehr arbeitet, soll auch mehr bekommen als die anderen.”
Kurzum: die Häuser des Kibbuz sind inzwischen privatisiert, das Kinderhaus abgeschafft. Geblieben ist der “Zionismus”. David Gold hält eine flammende Rede, die Zionisten seien für eine bessere Gesellschaft. Immerhin sagt er zum Palästinenser-Konflikt: Beide Seiten hätten Angst vor einander, sähen sich selbst aber nicht als furchteinflössend. Es sei wichtig, dass Menschen wie wir sich mit beiden Seiten beschäftigten und zu vermitteln suchten.
Dass Miri und ihr Mann zu den liberalen Reformjuden gehören, bemerken wir erst beim anschließenden jüdischen Gebet Kabbalat Sabbat in der Synagoge. Miri leitet die Zeremonie, was bei den Orthodoxen Juden nicht möglich wäre (der Staat bezahlt nur die orthodoxen Rabbiner, die Reformjuden erhalten kein Geld vom Staat). Der Raum füllt sich mit Kibbuz-Bewohnern, die zu einem großen Teil südamerikanisch aussehen. Es wird viel gesungen, einmal werden sogar Trommeln und Schellen zur Begleitung verteilt.
Miri predigt auf hebräisch, wir verstehen zweimal das Wort “Tsunami”. Dann übersetzt sie netterweise für uns ins Englische. Zum Schluss gibt es einen Schluck Traubensaft aus kleinen Bechern. Miri bekommt ein Geschenk, unter anderem, weil sie sich so nett um neue Immigranten kümmere…
Nun habe ich einen Gottesdienst in Palästina und das Sabbat Gebet im Kibbuz aufmerksam verfolgt: In beiden war von “Frieden” immer wieder die Rede. Das Wort “Shalom” war das Abstand häufigste Wort, das in der Synagoge benutzt wurde… Und doch ist man friedensmäßig in der Region in den letzten Jahrzehnten kein Stück weitergekommen.
„Wir wollen für unsere Völker und Städte arbeiten” (10)
Nach langen Vorbereitungen ist es nun soweit: mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde vor Ort sind Bergisch Gladbach und Beit Jala jetzt auch ganz offiziell Partnerstädte.
Bei der Zeremonie wurde zunächst die Deutsche Nationalhymne vom Band gespielt, wir Gladbacher sangen natürlich mit. Schüler der Schule Talita Kumi, an der Deutsch als Fremdsprache gelehrt wird, sangen arabische Lieder.
Nach einem Grußwort auf arabisch, hielt Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach auf englisch eine ausgezeichnete Rede. Er sagte unter anderem, unser Volk habe große Schuld auf sich geladen gegenüber dem Volk Israel, daher komme unsere Sympathie für Israel. Wir hätten aber auch großes Verständnis für das Palästinensische Volk, denn ein Teil von uns habe in der DDR über Jahrzehnte hinweg in Unfreiheit gelebt. Die Mauer, die in Deutschland für Unfrieden und Unfreiheit gesorgt habe, sei friedlich überwunden worden und auch die Mauer zwischen Israel und Palästina sei nicht unüberwindlich, sagte der Bürgermeister.
Urbach überreichte Briefe von Institutionen in Bergisch Gladbach (unter anderem der Krankenhäuser und der Feuerwehr) für die entsprechenden Institutionen in Beit Jala.
Anschließend erwiederte Beit Jalas Bürgermeister Raji Zeidan:
“Wir alle werden im Rahmen dieser Vereinbarung zu Gunsten unserer Völker und Städte arbeiten”.
Auch Dr. Salam Fayyad, der Ministerpräsident Palästinas, war zur Unterzeichnung nach Beit Jala gekommen. Er betonte, er freue sich über die Partnerschaft. Er erwähnte die Katastrophe in Japan und drückte sein Bedauern für die Opfer des Tsunamis aus. Zur politischen Situation sagte er, er hoffe, dass es in Palästina bis Ende des Jahres zu einem Durchbruch komme – ohne Gewalt.
Allerdings wurde die Unterzeichnung der Städtepartnerschaft durch ein Attentat in der Westbank überschattet. Eine jüdische Siedlerfamilie (Eltern und drei Kinder zwischen vier Monaten und elf Jahren) wurden getötet. Fayyad distanzierte sich deutlich davon:
“Wir verurteilen das. Gewalt darf nicht mit Gewalt beantwortet werden”.
Anschließend gab es eine Feier mit den typischen arabischen Speisen Falafel (gefüllte Teigtaschen) und Humos (pürierte Kichererbsen).
Dani Karavan, der weltberühmte isrealische Künstler (er hat unter anderem den Heinrich-Böll-Platz in Köln gestaltet und vor dem Landtag die große runde Skulptur aus Eisen gemacht) hatte eigens eine Sondergenehmigung bekommen, um zur Unterzeichnung des Festaktes nach biet Jala einreisen zu dürfen.
Wir waren begeistert, ihn (dank der Vermittlung von Peter Busmann) in der Abrahamsherberge zu treffen. Allerdings vertiefte er sich dann in ein Gespräch mit dem palästinensischen Architekten der Herberge, Bazem Khoury, und kam dann nicht mit zur Bürgerhalle, wo das Fest stattfand.
Für unsere Reisegruppe ging am Nachmittag die Reise weiter nach Nazareth – wir brauchten zwei Stunden mit dem Bus. Die schwangere Maria wird damals deutlich länger gebraucht haben.
Good-bye Beit Jala (Serien-Ende: Folge 11)
Am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv werden die Reisenden gefragt, wo sie sich die letzten Tage aufgehalten haben. Da ist es günstig, wenn man guten Gewissens sagen kann: “In Israel!”
Wir haben die Nacht von Samstag auf Sonntag in einer Pilgerherberge in Nazareth verbracht. So konnten wir noch einen Blick in die Kirche werfen, die angeblich genau dort gebaut wurde, wo Maria vom Engel Gabriel erfuhr, dass sie schwanger sei (“Menschwerdung Gottes”).
Letzte Tücher und Goldkettchen werden gekauft, wobei nur wenige Geschäfte geöffnet sind. Denn die Ladenöffnungszeiten in Israel sind komplizierter als bei uns: der Freitag ist der Feiertag der Muslime (Juma), der Samstag der freie Tage der Juden (Sabbath) und der Sonntag den Christen heilig, so dass die jeweiligen Bevölkerungsgruppen an diesen Tagen nicht arbeiten. Außerdem werden mittags zu den unterschiedlichsten Zeiten Geschäfte und Institutionen geschlossen.
Daher werden wir gleich gewarnt, als wir weiter zum Berg der Seligpreisungen fahren und in den schönen Garten möchten: “Wir schließen in einer Stunde!” Gerne wären wir noch etwas länger an dem Ort geblieben, an dem Jesus gesagt haben soll: “Selig sind die…” Aber gut, so haben wir etwas mehr Zeit in Akko, wo wir unsere letzte Nacht verbringen und die erstaunlichen Ausgrabungen bewundern.
Am Flughafen tauschen wir die letzten NIS (neue israelische Schekel) und prüfen, ob wir schon einen Schein dabei haben, auf dem “Free Palastine” steht. Aktivisten haben dazu aufgerufen, Geldscheine mit Filzstift so zu beschriften: So werde die Lage Palästinas immer wieder ins Gedächtnis gerufen, wenn man hin und wieder Geld mit diesem Aufruf in den Händen halte, hoffen die Erfinder der Aktion.
Dagegen hoffen wir, dass nach der offiziellen Besiegelung der Städtepartnerschaft nun in Zukunft ein lebendiger Austausch entsteht und noch viele Gruppe Beit Jala besuchen werden.
Wir jedenfalls sind dankbar für die ungewöhnliche Reise, die interessanten Mitreisenden und die gute Organisation von Axel und Sabine Becker.
Fritz Bolte überreicht Sabine in unserem Namen einen “Orden”: Ein Holzschäfchen an einer Kette, denn wie ein guter Schäferhund hat sie immer darauf geachtet, dass keines ihrer Schäfchen in Palästina und Israel verloren ging. Dank den beiden haben wir jetzt das Gefühl, beim nächsten Mal in Beit Jala auch gut alleine zurecht zu kommen. Inschallah – so Gott will.