Theaterfahrt der IGP nach Beit Jala

Von Christoph Konkulewski
in-gl.de/2010/11/21/igp-in-beit-jala/

Vom 18. – 29. Oktober 2010 fuhren insgesamt 12 Schülerinnen und Schüler aus Bergisch Gladbach, sowie 8 begleitende Erwachsene in die neue Partnerstadt Beit Jala. Die Stadt liegt 10 Kilometer vor den Toren Jerusalems und grenzt direkt an Bethlehem. Die Schülerinnen und Schüler besuchen zum allergrößten Teil die Integrierte Gesamtschule Paffrath. Die Schulleiterin sowie eine Lehrerin und ein Lehrer der Schule, gehörten zu den begleitenden Erwachsenen.

Ziel der Reise war es, zunächst einmal Theater zu spielen, desweiteren sollten Kontakte zu einer Schule in Beit Jala geknüpft werden, um eine dauerhafte Schulpartnerschaft zu etablieren. Theaterarbeit unter erschwerten Bedingungen

Im Jahr 2009 kamen 6 Jugendliche aus Beit Jala nach Bergisch Gladbach, um hier Theater zu spielen. Begleitet wurden sie von einem Filmteam, dass die im Kika und in der ARD gezeigte Dokumentation „Shaheen hinter Mauern“ (Das Format heißt „Fortsetzung folgt“) drehte.

Die Geschichte: Shaheen, ein Junge aus Palästina, lebt hinter der großen Mauer und möchte heraus. Das gelingt ihm, indem er Theater spielt und schließlich nach Deutschland (Bergisch Gladbach) kommt, um mit seinen Freunden das in Beit Jala einstudierte Theaterstück aufzuführen.

In Deutschland wurde das Projekt von Sabine Becker, ihrem Ehemann, dem emeritierten Gronauer Pfarrer Axel Becker und von der evangelischen Kirchengemeinde Gronau vorangetrieben. Auf Anregung des Ehepaars Beckers trafen die 6 Jugendlichen (2 Mädchen und 4 Jungen) mit ihrer Theaterleiterin Hannelore Shihadeh auf Jugendliche aus der IGP, die ihr eigenes Theaterstück in der Theaterschule Theas einstudiert hatten. In einer Aufführung stellten die beiden Gruppen nach einer intensiven Zusammenarbeit einmal ihr im eigenen Land einstudiertes Stück vor, dann jedoch ein kleines gemeinsames Stück. Nach der Premiere konnte das Stück den Jahrgängen 5 und 6 in der Integrierten Gesamtschule Paffrath mit großem Erfolg vorgestellt werden.

Ein neues Stück – für Deutsche, Israelis, Palästinenser

Diese Theaterarbeit wurde nun fortgeschrieben. In Palästina entwickelte Hannelore Shihadeh zusammen mit der Rabbinerin Sarra Lev (eine Amerikanerin, die zwei Jahre in Jerusalem arbeitete) ein neues Theaterstück. Das Besondere daran: Sarra Lev konnte einige jüdische Familien überzeugen, ihre Kinder bei dem Theaterstück mitmachen zu lassen. Die Proben waren nicht einfach zu koordinieren, man traf sich in Beit Jala in der sogenannten C-Zone im Restaurant Everest, das von Palästinensern, wie von Israelis gleichermaßen besucht werden kann.

Christina Otto, die Theaterpädagogin aus Deutschland, Mitarbeiterin der Theaterschule THEAS, die den deutschen Teil des Theaterprojektes begleitete, reiste mehrmals nach Israel und Palästina, um die Arbeit zu koordinieren.

Dann stand das Theaterprojekt plötzlich auf der Kippe: Durch eine schwere Erkrankung der Initiatorin Hannelore Shihadeh kam die Arbeit in Palästina zum Erliegen. Außerdem ging Sarra Lev planmäßig nach zwei Jahren zurück in die USA. Dennoch konnten während des Besuches mehrere Theaterworkshops stattfinden, besonders weil Sabine Becker bereits eine Woche früher nach Beit Jala reiste, um letzte Vorbereitungen zu treffen und Sarra Lev eigens für das Projekt nach Jerusalem zurückkehrte!

Der erste Workshop startete in der berühmten Jerusalemer Cinemathek, nachdem für alle palästinensischen Beteiligten Permits (Einreiseerlaubnisse nach Jerusalem) bereitgestellt werden konnten. Die weiteren Workshops und eine Werkschau dann im Restaurant Everest. Es war erstaunlich, dass dieses komplexe Werk überhaupt nach so wenigen Proben vorgeführt werden konnte, sogar so, dass man von einer gelungenen Aufführung sprechen konnte.

Kurz die Geschichte: Mehrere Personen, ein Taxifahrer, ein alter Mann, der zwei Söhne verloren hat, ein Bauarbeiter, eine Sängerin, ein Fußballspieler, eine Drogenhändlerin, eine Bardame … bekommen die Einladung nach Jerusalem zu gehen. Sie erzählen dabei Ihre Geschichte, die pantomimisch von den deutschen Kindern dargestellt wurden. Schließlich kommen sie nach Jerusalem und wohnen in einem Hostel, dessen Steine man aus der trennenden Mauer gewinnen konnte. Die Wirklichkeit ist sicher viel komplizierter, es ging jedoch darum die Vision des Micha „Schwerter zu Pflugscharen“ umzusetzen und diese Vision ist bis heute eine Vision geblieben.

So schwierig die Situation durch den bedauernswerten Ausfall unserer Koordinatorin wurde, so sehr gibt sie jedoch nun die Perspektive, die Theaterarbeit nach der Gesundung Hannelore Shihadehs fortzusetzen und das Stück als Ganzes vielleicht im nächsten Jahr aufführen zu können. Die Arbeit und unsere Reise wurde im Übrigen wieder vom Filmteam „Der Betrieb“ begleitet.

Begegnungen – der Mittelpunkt der Reise

Die Begegnung mit den Menschen in Palästina und Israel stand im Mittelpunkt unserer Reise. Für die Jugendlichen, die bereits in Bergisch Gladbach dabei waren, oder in Bergisch Gladbach als Geschwister die palästinensischen Jugendlichen kennen gelernt haben, ein großartiges Wiedersehen. Neben der intensiven Arbeit in den Proben standen verschiedene verbindende Aktivitäten auf dem Programm, neben den nicht zu unterschätzenden abendlichen Treffen in der Abrahamsherberge, im Kinderheim oder beim Gemeinschaft stiftenden Fußballspielen im Innenhof.

Das Besucherprogramm, Genaueres später, war als Begegnungsprogramm ausgelegt. Das heißt, wir gingen nicht nur gemeinsam durch Bethlehem, sondern die einheimischen Jugendlichen zeigten, was ihnen wichtig war. Am Toten Meer wurde gegrillt, nach der Theateraufführung wurde in einem Restaurant mit Israelis, Palästinensern und Deutschen bei der Musik der Gipsy Kings gemeinsam gefeiert.

Die jüdischen Familien hatten außerdem organisiert, dass die Jugendlichen aus Deutschland eine Nacht dort verbringen konnten, um wenigstens für kurze Zeit auch deren Lebenssituation näher kennenzulernen.

Partnerschaft mit der Hope Schule

Die deutschen Jugendlichen besuchten in kleineren Gruppen zu zweit und dritt zwei verschiedene Schulen in Beit Jala: Die Hope School und die von deutschen Pädagogen gegründete Schule Talitha Kumi. In beiden Schulen gab es bleibende Erinnerungen, aber auch die Erkenntnis, dass sich Schulen in manchen Dingen gleichen in anderen nicht: Einmal liegt die Art des Unterrichts stark am Stil des Lehrers oder der Lehrerin, zum anderen sind die arabischen Kinder und Jugendlichen sehr viel lebhafter, als ihre deutschen Altersgenossinnen und -genossen. Beide Schulen führen ihre Schüler wie die IGP bis zum Abitur und beide Schulen sind koedukativ, obwohl sie zunächst als reine Mädchen- bzw. Jungenschule starteten. Da Talitha Kumi bereits viele andere Partnerschulen hat und die Hope School von ihrem pädagogischen Ansatz (gebt allen eine Chance) gut zu uns passt, haben wir uns zu einer Partnerschaft mit der Hope School entschieden. Die Gremien der IGP beschäftigen sich in den nächsten Sitzungen damit und stimmen ab. Beginnen werden wir mit einem E-Twinning Projekt, was nichts anderes bedeutet, als dass Schülerinnen und Schüler sich zunächst per Email austauschen. Die Infrastruktur ist auch in der Hope School mit schneller Internet Anbindung und modernem PC-Raum gegeben. Im kommenden Jahr laden wir zur weiteren Planung die Kolleginnen und Kollegen aus Palästina ein, 2012 ist der erste konkrete Austausch geplant – die Zustimmung der Schulgremien vorausgesetzt.

Wie in Abrahams Schoß – Hotel, Herberge und Ausflüge

Wir wohnten in der Abrahamsherberge, ein von der evangelisch Lutherischen Kirche betriebenes Hotel mit angebundener Jugendherberge und Jungenwohnheim. Hier wirken Pfarrer Shihadeh und dessen Frau Hannelore, von hier kamen die ersten Ideen für unser mittlerweile so weit gediehenes Projekt. Nach den erlebnisreichen Tagen und den vielen Begegnungen und Besuchen, entstand für die Gruppe bei der täglichen Rückkehr in die Abrahamsherberge schnell ein Heimatgefühl, so etwas wie die Rückkehr in Abrahams Schoß.

Besuche in Bethelehem, in die Altstadt, in die Geburtskirche und in das Peace-Center, in Jerusalem, die Altstadt, die Erlöserkirche, die Auferstehungskirche, den Ölberg, den Garten Gezemanie, an das Tote Meer, Jericho und zum Berg der Versuchung, aber auch ein Spaziergang durch unsere neue Partnerstadt Beit Jala, dessen Moscheen, Kirchen und dessen Priesterseminar waren hochinteressant oft überraschend und für alle Beteiligten wichtig.

Besonders berührte uns der Besuch von Cremisan, einem Naherholungsgebiet von Beit Jala mit Ölbaumhainen und Weinbau, ein Gebiet, das nun durch die Mauer von Beit Jala abgetrennt werden soll. Aber auch der Besuch einer Öl-Mühle, die noch ganz traditionell arbeitet, brachte uns das Leben dort näher.

Checkpoints und Mauer

Wenig Begeisterung löste das Durchqueren der Checkpoints aus. Die mit Eisentoren, Soldaten mit Maschinengewehren – die zum Teil über unseren Köpfen patrouillierten – ausgestatte Kontrollbauwerke, erinnerten uns Ältere stark an die alten Grenzanlagen der DDR, nur dass diese hier mitten im palästinensischem Gebiet liegen und eigentlich keine Staatsgrenze bewachen.

Besondere Erlebnisse: Einmal ließ man unser Taxi nicht durch, wir mussten einen riesigen Umweg nach Jerusalem fahren. Ein anderes Mal kam der Bus zwar durch, nicht jedoch wir selbst, wir mussten mit unseren Freunden zu Fuß durch den Checkponit.

Am Toten Meer ein Erlebnis der besonderen Art: Der Besitzer des Strandbades (ein Geschäftsmann) wollte uns erst nicht einlassen, da wir arabische Kinder dabei hatten und sich dann angeblich israelische Bürger am Sabbat gestört fühlten. Wir sind dann doch hereingekommen – ging wohl bei soviel Europäern nicht anders – und haben nicht bemerkt, dass sich durch unsere Anwesenheit irgendjemanden gestört fühlte.

Ausdrücklich sei jedoch gesagt: Wir haben uns in der Cinemathek und bei unseren israelischen Freunden – auch mit unseren arabischen Freunden – immer willkommen gefühlt.

Perspektiven

Wir halten nun mehrere Fäden in der Hand wie es weiter gehen könnte: Einmal steht es nun an, die Schulpartnerschaft mit Leben zu erfüllen. Zum anderen wollen wir das Theaterprojekt weiterführen. Drittens hat ein Kontakt zu einem deutschen Musiklehrer in Talitha Kumi die Möglichkeit eröffnet auch einen musikalischen Austausch mit unserer Partnerstadt zu beginnen

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