Heute geht es mal nicht nach Stundenplan. Schuldirektor Khader Saba (58) hat seinen gediegenen Anzug gegen Jeans getauscht, um den Hals baumelt ihm eine Trillerpfeife: Anpfiff für das große Fußballturnier, eine Premiere auf dem neuen Sportplatz. 20 Firmen- und Vereinsteams aus Beit Jala kicken in den folgenden Tagen um den Pokal. „Hadaf! Emalha!“ – „Los, mach das Ding rein!“ – feuern die jungen Fans am Spielfeldrand ihre Mannschaften an. Für „Mister Khader“, wie ihn die Schüler anreden, stehen die Sieger jetzt schon fest: „Spürt Ihr die Begeisterung?“, strahlt er die Besucher aus Bergisch Gladbach an. „Anstatt Steine auf Soldaten zu werfen, toben sich Jugendliche hier aus. Wir sind froh, dem Frust etwas Sinnvolles entgegensetzen zu können.“
Zu Besuch in der Hope Secondary School in Bergisch Gladbachs Partnerstadt Beit Jala. Aus der Strundestadt flossen rund 28.000 Euro in den Sportplatz, aufgebracht vor allem von Bürgern, von der Versteigerungsaktion „Kunst tut gut“ und dem Städtepartnerschaftsverein. Die Bethe-Stiftung verdoppelte den Betrag. Beit Jalas zweite deutsche Partnerstadt Jena steuerte weitere 20.000 Euro bei. Eröffnet wurde der neue Sportplatz im September nach dem Kultur- und Friedensfest in Beit Jala. In Vertretung der Partnerstädte und Spendenakteure richtete Axel Becker, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins, Glückwünsche aus. Jetzt konnten sich auch die Teilnehmer der jüngsten Begegnungsreise nach Palästina und Israel von der geglückten Aktion überzeugen.
Mit Kunstrasen, dem Klima angepasst, kleiner Flutlichtanlage, Sitzbänken sowie einrahmender Plattierung und Umzäunung ist der Sportplatz ein wahres Vorzeigeprojekt. „Der Platz kommt nicht nur der Schule zugute“, erklärt Khader Saba, „sondern allen Bürgern.“ Jahrelang hatte sich der Direktor dafür eingesetzt, nicht ohne Hintergedanken: Mitnutzende Vereine und Teams entrichten ein moderates Entgelt und helfen der Hope School somit, den Platz zu unterhalten.
Überhaupt lässt sich die Schule bei der Erschließung von Geldquellen einiges einfallen. Das Schulgeld der Eltern deckt nämlich nur einen kleinen Teil der Betriebskosten ab. Da ist zum Beispiel die Idee von dem Huhn und dem Ei: 3000 Legehennen der schuleigenen Hühnerfarm erwirtschaften einen Jahresgewinn von rund 46.000 Euro. Die neue Solaranlage auf dem Schuldach senkt die jährlichen Energiekosten um 9.000 Euro.
Die Hope Secondary School ist eine christlich orientierte Bildungsstätte für Waisenkinder und sozial benachteiligte Jungen und Mädchen. 120 Schüler christlichen und muslimischen Glaubens zwischen elf und 16 Jahren lernen und spielen hier einträchtig unter einem Dach. Die gemeinsame Erziehung im Geist der Nächstenliebe versteht sich als Beitrag zum friedlichen Miteinander der Religionen in einer gewalterschütterten Region.
Auch der Sportplatz spiegelt die bitteren Realitäten wider. Ursprünglich sollte er im Zentrum der 13.000-Seelen-Kommune angelegt werden. Erste Einfriedungsarbeiten hatten schon begonnen. Doch der rasch voranschreitende Bau der Trennungsmauer in Beit Jala/Cremisan macht Beit Jala schwer zu schaffen: Die Stadt hat inzwischen 65 Prozent ihres Territoriums durch die illegale israelische Landnahme verloren. Wegen Platznot musste der Sportplatz der Planung für eine Bebauung weichen. Daher wurde er auf das Gelände der Hope School verlegt. Unter den gegebenen Umständen keine schlechte Lösung: Schule und Stadt rücken näher zusammen, die Vereine schätzen die moderne Sportstätte und unterstützen sie finanziell.
Der Turniersieger steht inzwischen fest. Das Team der örtlichen Batteriefirma gewann das Finale mit einem sensationellen fünf zu null. Auch im fußballverrückten Beit Jala gilt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Das nächste Turnier ist schon in Planung. „Besucher aus Bergisch Gladbach sind herzlich willkommen!“ freut sich Khader Saba.
Und schon erwachen Träume von einer Frauenfußball-Begegnung zwischen Teams aus Bergisch Gladbach und Bethlehem/Beit Jala…
Jörg Bärschneider