Großes Interesse am „Buch für die Stadt“

Von Werner Schmitz-Dietsch
http://in-gl.de/2012/11/11/groses-interesse-am-buch-fur-die-stadt-2/

Nach einer Woche, in der sie jeden Tag gefragt war, zeigte sich Dr. Dr. h. c. Sumaya Farhat-Naser am Samstagabend in Bensberger Ratssaal voller Energie: „Heißen wir den Stress willkommen, denn er bringt uns vorwärts!“, antwortete sie auf die erste Frage, ob sie sich erschöpft fühle.

Auch das typisch deutsche Wetter gefiel ihr: „Ich liebe Regen!“ sagte sie, bevor sie einige Passagen aus ihrem Buch „Thymian und Steine“ las.

Den Bergisch Gladbachern fühlt sich die Autorin besonders verbunden, denn hier war sie von Anfang an beim Städtepartnerschaftsverein Beit Jala e.V. beteiligt (sie ist auch Mitglied).

Da fast alle Anwesende ihr Buch gelesen hatten, bezog sich Moderatorin Doro Dietsch im Gespräch mit der Autorin nicht auf den Buchinhalt. Vielmehr wollte sie beispielsweise wissen, was aus ihren Kindern geworden sei, da sie sich im Buch viele Sorgen macht um ihre und alle andere palästinensischen Kinder, die zu früh reifen und zu viel Gewalt sehen.

90 Prozent der männlichen Jugendlichen waren mindestens einmal im Gefängnis zur Zeit der Intifada, so auch ihr eigener Sohn. Heute sei er allerdings Neurologe und arbeite in Deutschland – wolle aber bald nach Palästina zurück kehren, da er dort gebraucht werde, berichtete Sumaya voller Stolz. In Deutschland dagegen bedrücke sie, dass sie schon morgens junge Leute sehe, die Alkohol konsumierten.

Sie selbst kam ja als junges Mädchen in den sechziger Jahren für eine Weile nach Deutschland – und das war der Schule Talita Kumi zu verdanken, einer von Diakonissen geleiteten deutschen Internatsschule.

„Wie siehst du die Rolle der kirchlichen und internationalen Organisationen, die in Palästina tätig sind?“ fragte Doro Dietsch sie deshalb. Die Kirchen konnte Sumaya Farhat Naser nur loben, aber für die NGO`s fand sie viele kritische Worte. Sie verderben die Preise und führen zu Korruption, erläuterte sie: „Eine Sekretärin verdient bei einem palästinensischen Unternehmen rund 400 Euro im Monat, bei einem ausländischen Hilfsunternehmen aber 2.500 Euro!“

Dass gleich zwei „Bücher für die Stadt“ auserkoren wurden, sah die Autorin kritisch. „Das ist eine Beleidigung für mich“, sagte sie. „Aber ich bin es schon gewohnt. Immer, wenn ich in Deutschland einen Preis bekomme, muss in letzter Minute noch ein Israeli dazu, der auch einen Preis bekommt.“

Es wurde aber sehr deutlich, dass diese Kritik nichts mit dem israelischen Autor Assaf Gavron zu tun hat. Dietsch meinte, auch er habe es verdient, dass sein Buch allein im Mittelpunkt einer solchen Aktion stehe. Nächstes Jahr wäre das schön gewesen. Aber an einem einzigen Abend den beiden so unterschiedlichen Büchern gerecht zu werden, sei unmöglich. Schon Sumayas Werk allein könnte für viele inspirierende Abende reichen.

Viel Energie, Zeit und Kraft hat diese kluge Frau schon in den doppelten Emanzipationskampf (als Frau und als Palästinenserin) investiert, aber an einen ANERKANNTEN Staat Palästina – gleichberechtigt mit Israel – zu ihren Lebzeiten glaubt sie nicht: „Ich werde das nicht mehr erleben. Aber dafür meine Enkelkinder!“ war sie überzeugt.

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