Petra Schöning (kl. Foto) war vom 10. bis 17. April 2025 in den palästinensischen Gebieten unterwegs. Dabei hat sie auch Beit Jala besucht. Petra, Leiterin unserer Begegnungsreisen sowie Nahost-Referentin, schildert in einem langen Gespräch mit Jörg Bärschneider ihre Erlebnisse.
Zu Besuch bei Bürgermeister Issa Kassis – Angst vor Siedlergewalt

Petra, was waren deine ersten Eindrücke in Israel?
Nach der Landung in Tel Aviv fuhr ich nach Jerusalem weiter. Zuerst sah alles so aus wie immer: Geschäftiges Treiben auf der Jaffa-Road und auf dem Markt Mahane Yehuda. Die Straßenbahn, die mich bis fast direkt vor mein Gästehaus brachte, war voll besetzt. In Israel stand das Pessach-Fest kurz bevor. Auch christliche Pilger sah ich so kurz vor Palmsonntag. Und natürlich viele Einheimische, die ihrem Alltag nachgehen. Im christlichen Viertel, in dem sich sonst Massen von Touristinnen und Touristen durch die Gassen schieben, sah es jedoch anders aus: Viele Geschäfte waren unter der Woche geschlossen. Es lohnt sich wohl für die Ladenbesitzer nicht, sie aufzumachen.
Wie bist du von Jerusalem nach Beit Jala gekommen?
Wie immer vom Damaskustor mit der Buslinie 231. Allerdings fährt sie jetzt eine andere Strecke: Nicht mehr über die sogenannte Tunnelstraße, die Umgehungsstraße, die in den 90er Jahren für die israelischen Siedlerinnen und Siedler gebaut worden ist, damit sie schnell und an palästinensischen Ortschaften vorbei zu ihren Siedlungen kommen. Heute führt von der Tunnelstraße kein Weg mehr direkt nach Beit Jala hinein. Die Buslinie verläuft jetzt über Bethlehem und den dortigen Checkpoint. Von hier ging es für mich dann direkt zur Haltestelle vor Abrahams Herberge.
… seit Jahrzehnten das Gästehaus für unsere Begegnungsreisen.
Ich war diesmal der einzige Gast. Die Stimmung schwankte zwischen Resignation und Verzweiflung – auch angesichts der Nachrichten aus dem Gazastreifen.
Was hast du in Beit Jala unternommen?
Auf dem Weg zur Stadtverwaltung schaute ich zusammen mit einer Mitreisenden bei der griechisch-orthodoxen Frauenkooperative vorbei. Dort waren die Frauen fleißig dabei, zu kochen und zu backen. Der Raum mit den Stickereien, die für den Verkauf bestimmt sind, glich einem Abstellraum. Vielleicht nur eine Momentaufnahme. Vielleicht aber dachten sich die Frauen: Kommt doch eh keiner vorbei.
Hattest du auch Kontakt mit der Stadtspitze in Beit Jala?
Das Rathaus war unsere nächste Station. Bürgermeister Issa Kassis und sein Stellvertreter Issa Nazzal waren hocherfreut über unseren überraschenden Besuch und sehr berührt von den Grußbotschaften aus Bergisch Gladbach. Issa war erst am Vortag von einem Amtsbesuch aus Rumänien zurückgekehrt, wo sich eine weitere Städtepartnerschaft anbahnt. Sie berichten aber auch von der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation in ihrer Stadt, seit Israel nach dem 7. Oktober 2023 fast alle Arbeitsgenehmigungen für Israel widerrufen hat und auch keine Touristen mehr in die Region kommen. Die Arbeitslosenquote im Westjordanland liegt aktuell bei 35 Prozent.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Die wirtschaftliche Lage ist miserabel, die Kaufkraft geht zurück. Einerseits herrscht business as usual, die Leute versuchen irgendwie, ihren Alltag zu leben. Das sieht man zum Beispiel in der Altstadt von Beit Jala, wo Frauen wie auch sonst für ihre Familien einkaufen (Foto). Andererseits sind sie am Ende ihrer Kräfte, Gaza ist in ihren Köpfen, die Hungersnot, die Angriffe, die Zerstörungen. Und die Siedler, auch im Raum Bethlehem, verbreiten mit ihrer zunehmenden Gewalt große Angst. Razzien des Militärs in den Flüchtlingslagern Deheishe und Aida sind an der Tagesordnung. Im Bewusstsein der Menschen hängt die Drohung einer Räumung des Gazastreifens wie ein Damoklesschwert auch über dem Westjordanland.

Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Mein Besuch in der Musikschule Bethlehem, die auf dem Stadtgebiet von Beit Jala liegt. Der Partnerschaftsverein Köln-Bethlehem, dem ich angehöre, hatte mir eine Spende mitgegeben. Ein paar Tage vor dem vereinbarten Termin fragte mich der Direktor, ob ich meinen Besuch nicht vorverlegen könne. Sie wollten den Lehrkräften gerne schnellstmöglich ihr Honorar zahlen.
Einmal auf dem Weg, hast du dich dann in Bethlehem umgeschaut.
Dort sah es nicht anders aus als noch drei Tage zuvor im christlichen Viertel in der Jerusalemer Altstadt: Gähnende Leere in der Altstadt, der Krippenplatz vor der Geburtskirche ist so gut wie menschenleer. Viele Geschäfte sind geschlossen. Keine Ahnung, ob sie überhaupt noch mal öffnen werden. Der Olivenholzschnitzer Josef Giaccaman hat geöffnet, in der Hoffnung, dass sich ein paar Touristen doch in seinen Laden verirren. Ich kaufte ein paar Weihnachtsanhänger und wusste, dass das noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein war.
Welches Gesamtbild nahmst du von deiner Reise mit nach Hause?
Im Mai 2024 war ich zum letzten Mal in der Region. Deshalb hatte ich für meinen aktuellen Besuch nichts Gutes erwartet. Aber manchmal wurde selbst ich noch negativ überrascht. Bei meinem Abstecher nach Battir, der Partnerstadt von Brühl, kam ich im Bereich des Weltkulturerbes an einer Siedlung und einem Außenposten vorbei. Oberhalb der Altstadt von Battir liegen die Ruinen der antiken Festung Khirbet el-Yahud, in der der jüdische Militärführer Bar Kochba zeitweilig gelebt haben soll. Es heißt, dass die israelische Altertümerbehörde das Gelände abriegeln will. Es steht zu befürchten, dass diese historische Stätte damit das gleiche Schicksal nimmt wie das antike Herodium südlich von Bethlehem, wo die israelische Natur- und Parkbehörde nun die Verwaltung hat und Eintritt für den Besuch verlangt.
Wie begegnen dir als Besucherin aus Deutschland die Menschen?
Sehr freundlich. Jeden einzelnen Besucher sehen sie als Zeichen, dass man sie nicht vergessen hat und laden ihn schnell zu einem Kaffee oder Tee ein. Ein Ladenbesitzer in der Altstadt von Beit Jala gab mir aber eine besondere Bitte mit auf den Weg: „Ihr Deutschen, schaut gerade jetzt nicht weg, wir Palästinenser sind keine schlechten Menschen. Protestiert bei euch laut gegen das Unrecht, das unsere Familien tagtäglich bedroht!“