Hilferufe aus Beit Jala: „Situation in Westjordanland ist unerträglich geworden“

Filmmaterial der israelischen Menschenrechtsorganisation „Btselem“ über Siedlergewalt und militärische Eskalation im Westjordanland (arte-TV vom 28.1.2025)

Hilferufe aus Beit Jala: „Situation in Westjordanland ist unerträglich geworden“

Während die Welt nach Gaza blickt, verschärft sich die militärische Repression im Westjordanland, berichtet der Fernsehsender arte und spricht von der „weitgehend ungestraft weitergehenden Siedlergewalt gegen Palästinenser“. Markante Zahlen: Demnach wurden seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 1800 Angriffe gezählt, starben mehr als 860 Palästinenser, davon 185 Kinder. Auf israelischer Seite starben 29 Menschen. Auch aus Bethlehem und Beit Jala erreichen uns in diesen Tagen schreckliche Nachrichten. Wir dokumentieren einzelne Stimmen und Nachrichten.

→ Nachricht eines Freundes aus Beit Jala (21.1.2025):
Ich wende mich in meiner Verzweiflung an euch… Leider ist auch die Situation im Westjordanland unerträglich geworden… Die israelische Armee hat damit begonnen, große Eisentore an allen Eingängen zu Städten, Straßen, Dörfern, Nebenstraßen und allen Wegen zu installieren, selbst auf unbefestigten und unwegsamen Straßen. Eine umfassende Abriegelung aller Städte im Westjordanland wurde verfügt.

Der Bezirk Bethlehem ist mit 89 Kontrolltoren und Hebron mit 112 Toren abgeriegelt. Dutzende von Toren werden auch in Ramallah und Nablus aufgestellt. Das Westjordanland hat sich in ein großes Gefängnis für Palästinenser verwandelt. Die Bewegungsmöglichkeiten palästinensischer Bürger auf Außenstraßen sind massiv eingeschränkt worden. Inzwischen sind alle Städte im Westjordanland voneinander getrennt. Zehntausende Palästinenser sitzen gleichzeitig auf den Straßen des Westjordanlandes fest.

→ Weitere Nachricht (28.1.2025):
Wir leben in einem Gefängnis, das nicht groß ist, sondern sehr klein geworden ist. Das verheißt nichts Gutes. Die Menschen haben die Hoffnung verloren und es gibt keine Arbeit. Israelische  Medien berichten, dass die Knesset in vorläufiger Lesung einem Gesetzesentwurf zugestimmt hat, der es Juden ermöglichen würde, sich im Westjordanland als Landbesitzer registrieren zu lassen.

→ Helga Baumgarten – emeritierte Professorin für Politikwissenschaften der Universität Birzeit nahe Ramallah, lebt in Jerusalem – aus ihrem aktuellen „Letter from Jerusalem“ (22.1.2025):
Guten Morgen aus einem Land, in dem eine neue Katastrophe gerade begonnen hat: UNRWA wird endgültig verboten. Der „Angriff“ auf Jenin ist in vollem Gang: Mord und Zerstörung aus allen Richtungen und mit allen Mitteln, Flugzeuge, Drohnen, Artilleriefeuer. Die gesamte Westbank ist abgeriegelt, jede Stadt, jedes Dorf. „Angriffe“ der Armee haben begonnen. Drei Tote im Shofat Camp in Jerusalem, darunter ein zwölfjähriges Kind, ebenfalls Angriffe auf das Aida-Camp zwischen Bethlehem und Beit Jala. – Demonstriert und redet und schreibt…. die Lage fordert es, alle Aktionen sind jetzt zentral. Wir hier fürchten das Schlimmste. Helga

Steffen Seibert, deutscher Botschafter in Israel zu schweren Siedlerangriffen nahe Hebron
(22. 1. 2025): 
Wie kann es sein, dass so etwas fast täglich vorkommt? Es muss ernsthaft gegen diese extremistische Siedlergewalt vorgegangen werden. Es ist eine Frage der Menschenrechte (der dort lebenden Palästinenser) und der Sicherheit (denn niemand kann ein Interesse daran haben, das Westjordanland in Brand zu setzen).

→ SPIEGEL online (22.1.2025):
Kaum ist im Gazastreifen eine Feuerpause in Kraft getreten, nimmt die Gewalt im Westjordanland zu. Verschärft wird die Lage dort durch Angriffe radikaler Siedler auf palästinensische Dörfer. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden bei dem Einsatz in der Stadt Dschenin zehn Menschen getötet und mindestens 40 verletzt. Der Militäreinsatz, der jüngste in einer Reihe von Razzien der israelischen Armee im Westjordanland in den vergangenen Monaten, diene der »Bekämpfung des Terrorismus« und werde »umfangreich und bedeutsam« sein, erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Zuvor hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz in einer Sitzung des Knesset-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung betont, dass die israelische Armee mit dem Einsatz den Schutz der Siedlungen und ihrer Bewohner sicherstellen wolle. Im Westjordanland leben mehr als 490.000 Israelis in völkerrechtlich illegalen Siedlungen. (https://www.spiegel.de/ausland/israel-beginnt-grossen-militaereinsatz-im-westjordanland-a-99a110c8-a7c7-4e8a-93a4-3d3ab0755e1d)

→ Zeit online (22. 1. 2025):
Kurz nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen hat Israel einen groß angelegten Militäreinsatz im Westjordanland gestartet. Die Operation in der Stadt Dschenin diene der „Bekämpfung von Terrorismus” und werde „umfangreich und bedeutsam sein”, teilte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mit. Laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium wurden bei dem Einsatz zehn Menschen getötet und mindestens 40 verletzt. (…)

In den vergangenen Monaten hatten die israelischen Streitkräfte bereits mehrfach Razzien im Westjordanland durchgeführt. Zuletzt waren durch einen israelischen Luftangriff im Flüchtlingslager Dschenin vor einer Woche mindestens drei Palästinenser getötet und zahlreiche weitere verletzt worden.

Zuvor hatte (der israelische Verteidigungsminister, d. Red.) Katz in einer Sitzung des Knesset-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung betont, dass die israelische Armee mit dem Einsatz den Schutz der Siedlungen und ihrer Bewohner sicherstellen wolle. Im Westjordanland leben mehr als 490.000 Israelis in völkerrechtlich illegalen Siedlungen.

Zusammenstellung: HDH, StäPa GL-Beit Jala

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