26 Fragen an Axel Becker

Von W. Schmitz-Dietsch
http://in-gl.de/2010/09/11/26-fragen-an-axel-becker/

Wenn Christen sich nur um ihren eigenen Kirchturm drehen, regt das Pfarrer Axel Becker auf. Er selbst hat neun  Jahre in Chile gelebt und ist jetzt Fördervereins-Vorsitzender für die Städtepartnerschaft Bergisch Gladbach – Beit Jala.

Dank ihm ist Bergisch Gladbach jetzt die zweite deutsche Stadt, die mit einer palästinensischen Kommune eine Städtepartnerschaft pflegt (die Städtepartnerschaftsurkunde wird im März 2011 in Beit Jala unterzeichnet).

Zuletzt hat Axel Becker mit dazu beigetragen, dass ein Theaterprojekt der IGP zahlreichen Hürden überwinden konnte – und in einer gemeinsamen Aufführung mit israelischen und palästinensischen Jugendlichen mündete.

Los geht’s. Nicht lange nachdenken, nicht weit ausholen – ein, zwei Sätze genügen.

Wie starten Sie in den Tag?

Nach der Zeitungslektüre strecke ich mich noch einmal mit großem Genuss eine Weile im Bett und freue mich, dass mich seit 10 Jahren keine beruflichen Termine mehr drücken können.

Was wollten Sie als Kind werden?

Was mit Technik.

Und was sind Sie geworden?

Evangelischer Pfarrer und nun ein Mensch, der die Zugabe des Alters frei gestalten kann.

Wohin laden Sie Kollegen/Geschäftspartner am liebsten ein?

An unserm runden Tisch zuhause, lecker bekocht von Sabine, lassen sich bestens Netzwerkknoten entwickeln.

Wohin gehen Sie gerne mit Familie/Freunden?

Als Wuppertaler ins Bergische, zu unserm 200 Jahre alten Fachwerkhäuschen auf der Wupperanhöhe bei Wuppertal-Beyenburg

Wohin gehen Sie, wenn Sie ganz für sich sein wollen?

Da sitze ich zum Beispiel gern auf „Der Alten Liebe“ bei Rodenkirchen und schaue zu, wie das Wasser des Rheins vorbeiströmt – und immer wieder ein Schiff kommt.

Wie sieht für Sie ein perfekter Tag aus?

SONNE! Oder das Holz knistert im Ofen. Ein Gang in den Garten, wo die Blumen sich entfalten und verwelken. Mir kommen neue Gedanken und Möglichkeiten in den Kopf. Am PC und am Telefon stellen und lösen sich Fragen. Jeden Tag komme ich ein bisschen näher an das Ziel, das ich mir, zusammen mit andern, vorgenommen habe. Und beim Musizieren mit Cello oder Bassstimme entsteht ein gemeinsamer Klang; da fühlt sich mein Herz wohl.

Tee oder Kaffee; Bier oder Wein?

Tee zum Frühstück, Kaffee im späten Vormittag, immer viel Wasser und abends ein Gläschen Rotwein, möglichst aus Chile, zur Erinnerung an 9 Jahre meines Lebens dort.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Wenn die Menschen in Palästina ihre Geduld, ihre „Haltung der unbesiegten Verzweiflung“ (John Berger, Mit Hoffnung zwischen den Zähnen, 2007) verlieren.

Unsere Kinder und Enkel werden es ausbaden müssen, wenn der Nahostkonflikt weiter eskaliert –, während wir Deutschen achselzuckend zuschauen, ohne die Friedenskraft, die wir nach den schrecklichen Kriegsjahren und nach ihren Verbrechen an den Juden gewonnen haben, entschieden einzubringen.

Bitte ergänzen Sie: Bergisch Gladbach ist …

ein großer Flickenteppich von kleinen Orten und menschlichen Gemeinschaften. Ein wunderbarer Reichtum.

Was ist Bergisch Gladbachs größter Pluspunkt?

Die Bewohner der Stadt und die wunderbare Lage zwischen den bergischen Wäldern und dem Rhein mit der Domstadt vor unserer Haustür.

Was ist Bergisch Gladbachs größtes Problem?

Die Schwierigkeit, gute und effektive übergreifende Konzepte zu entwickeln z.B. für Wirtschaftsentwicklung und Verkehr. Die katastrophale Finanzlage der Stadt erfordert Kreativität und die Entwicklung sozialer und kultureller Sensibilität. Und es muss wieder Geld für die Umsetzung geben.

Wenn Sie drei Wünsche für Bergisch Gladbach frei hätten, würden Sie …

Das gute Zusammenleben aller Bürger und Bürgerinnen muss sich optimal entwickeln. Offenheit und Solidarität werden das Markenzeichen der Stadt.

Der finanzielle Spielraum für die öffentlichen Aufgaben der Stadt muss morgen wieder gegeben sein.

Dass die Verantwortlichen sich immer und immer mehr bewusst werden, was für Folgen für Mensch und Umwelt ihre Entscheidungen von heute haben.

Wenn Sie einen persönlichen Wunsch frei hätten, würden Sie …

ihn für mich behalten.

Was war Ihre größte Leistung?

Ich glaube es war letztlich: Das anzunehmen, was das Leben mir geschickt hat, und daraus etwas zu machen. So ergaben sich viele kleine Erfolge; zuletzt, dass der Rat der Stadt Bergisch Gladbach im Juli dieses Jahres einstimmig die neue Städtepartnerschaft mit Beit Jala beschlossen hat.

Was war Ihre größte Niederlage oder Ihr schlimmster Fehler?

Dass wir als Pfarrer in der Ev. Luth. Kirche in Chile nach dem Militärputsch von Pinochet am 11. September 1973 nicht verhindern konnten, dass sich die politischen Kräfte der Diktatur in der Kirche durchsetzten und zur Spaltung der Kirche geführt haben.

Mein großes Ziel ist es, …

Einen ganz kleinen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Frieden in unserer Welt zu leisten, und das nicht nur zu wünschen, sondern selbst in konkreten Schritten zu versuchen, z.B. durch mein Engagement im Nahen Osten.

Was ist Ihre Stärke?

Vielleicht: Möglichst das Ganze im Blick halten; Netzwerke mit vielen und verschiedenen Menschen knüpfen und eine gewisse hoffnungsvolle Beharrlichkeit.

Was ist Ihre Schwäche?

Kompliziert

Wie sind Sie als Chef?

Klare Strukturen und Kompetenzen, zielorientierte Zusammenarbeit. Nicht so viel quatschen.

… und was würden Ihre Mitarbeiter sagen?

Vielleicht: Er könnte sich mehr um uns persönlich kümmern.

Worüber können Sie sich richtig aufregen?

Wenn Menschen vorwiegend schlechten Nachrichten und Erfahrungen Raum in ihrem Leben geben, statt nach den Chancen und positiven Kräften in allen Krisen Ausschau zu halten.

Und: Wenn Christen und Kirche sich nur um ihren Kirchturm drehen.

Wer ist Ihr größtes Vorbild im Beruf?

Martin Luther King war ein gläubiger, begeisterter, politischer und furchtloser Pfarrer.

Wer ist Ihr Vorbild im Privatleben?

Da sind viele, die vorbildliche Seiten haben. Und wenn sie in ihrer Lebensgestaltung sich ihres Ungenügens und ihres Scheiterns bewusst sind, dann machen sie mir Eindruck.

Was war der beste Ratschlag, den Sie je erhalten haben?

Lass dich auf die Stellenanzeigen für Bergisch Gladbach – und später für Köln –  ein. Denn hier habe ich nach den Jahren in Chile erfüllte Zeiten erlebt.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem Nachfolger/Ihren Kindern erteilen?

Nimm dein Leben selbst in die Hand. Du bist von Gott getragen. Und deshalb musst du für dein Scheitern und deine Versäumnisse keine Schuld bei andern suchen. Dann kannst du auch Schweres aushalten. Lebe mit offenen Armen. Und bleib dem Glück auf der Spur.

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