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Städtepartnerschaft Bergisch Gladbach - Beit Jala e.V.
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Newsletter 8/2025
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Liebe Mitglieder und Interessierte, liebe Freundinnen und Freunde der Städtepartnerschaft mit Beit Jala,
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Petra Schöning war vom 10. bis 17. April 2025 in Israel und in den palästinensischen Gebieten und in Israel unterwegs. Dabei hat sie auch Beit Jala besucht. Petra, seit vielen Jahren Leiterin unserer Begegnungsreisen sowie Nahost-Referentin, schildert in einem langen Gespräch mit Jörg Bärschneider ihre Reiseerlebnisse.
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„Ihr Deutschen, schaut gerade jetzt nicht weg!“
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Zu Besuch bei Bürgermeister Issa Kassis – Angst vor Siedlergewalt
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Petra, was waren deine ersten Eindrücke in Israel? Nach der Landung in Tel Aviv fuhr ich nach Jerusalem weiter. Zuerst sah alles so aus wie immer: Geschäftiges Treiben auf der Jaffa-Road und auf dem Markt Mahane Yehuda. Die Straßenbahn, die mich bis fast direkt vor mein Gästehaus brachte, war voll besetzt. In Israel wurde gerade das Pessach-Fest gefeiert. Auch christliche Pilger waren so kurz vor Palmsonntag dort unterwegs. Und natürlich viele Einheimische, die ihrem Alltag nachgehen. Im christlichen Viertel, in dem sich sonst Massen von Touristinnen und Touristen durch die Gassen schieben, sah es jedoch anders aus: Viele Geschäfte waren unter der Woche geschlossen. Es lohnt sich wohl für die Ladenbesitzer derzeit nicht, sie aufzumachen.
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Wie bist du von Jerusalem nach Beit Jala gekommen? Wie immer vom Damaskustor mit der Buslinie 231. Allerdings fährt sie jetzt eine andere Strecke wie sonst: Nicht mehr über die sogenannte Tunnelstraße, die Umgehungsstraße, die in den 90er Jahren für die israelischen Siedlerinnen und Siedler gebaut wurde, damit sie schnell und an palästinensischen Ortschaften vorbei zu ihren Siedlungen kommen. Heute führt von der Tunnelstraße kein Weg mehr direkt nach Beit Jala hinein. Die Buslinie verläuft über Bethlehem und den dortigen Checkpoint – ein zeitaufwändiger Umweg. Von hier ging es für mich dann direkt zur Haltestelle vor Abrahams Herberge.
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… seit Jahrzehnten das Gästehaus für unsere Begegnungsreisen. Ich war diesmal der einzige Gast. Die Stimmung schwankte zwischen Resignation und Verzweiflung – auch angesichts der Nachrichten aus dem Gazastreifen.
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Was hast du in Beit Jala unternommen? Auf dem Weg zur Stadtverwaltung schaute ich zusammen mit einer Mitreisenden bei der griechisch-orthodoxen Frauenkooperative vorbei. Dort waren die Frauen fleißig dabei, zu kochen und zu backen. Der Raum mit den Stickereien, die für den Verkauf bestimmt sind, glich einem Abstellraum. Vielleicht nur eine Momentaufnahme. Vielleicht aber dachten sich die Frauen: Kommt doch eh keiner vorbei.
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Hattest du auch Kontakt mit der Stadtspitze in Beit Jala? Das Rathaus war unsere nächste Station. Bürgermeister Issa Kassis und sein Stellvertreter Issa Nazzal waren hocherfreut über unseren überraschenden Besuch und sehr berührt von den Grußbotschaften aus Bergisch Gladbach. Beide waren erst am Vortag von einem Amtsbesuch aus Rumänien zurückgekehrt, wo sich eine weitere Städtepartnerschaft anbahnt. Sie berichteten aber auch von der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation in ihrer Stadt, seit Israel nach dem 7. Oktober 2023 die Arbeitsgenehmigungen widerrufen hat und keine Touristen mehr in die Region kommen. Die Arbeitslosenquote im Westjordanland liegt aktuell bei 35 Prozent.
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Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Die wirtschaftliche Lage ist miserabel, die Kaufkraft geht zurück. Einerseits herrscht business as usual, die Leute versuchen irgendwie, ihren Alltag zu leben. Das sieht man zum Beispiel in der Altstadt von Beit Jala, wo Frauen wie auch sonst für ihre Familien einkaufen (Foto). Andererseits sind sie am Ende ihrer Kräfte, Gaza ist in ihren Köpfen, die Hungersnot, die Angriffe, die Zerstörungen. Und die Siedler, auch im Raum Bethlehem, verbreiten mit ihrer zunehmenden Gewalt große Angst. Razzien des Militärs in den Flüchtlingslagern Deheishe und Aida sind an der Tagesordnung. Im Bewusstsein der Menschen hängt die Drohung einer Räumung des Gazastreifens wie ein Damoklesschwert auch über dem Westjordanland.
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Wochenmarkt in der Altstadt von Beit Jala (Foto. P. Schöning)
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Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben? Mein Besuch in der Musikschule Bethlehem, die auf dem Stadtgebiet von Beit Jala liegt. Der Partnerschaftsverein Köln-Bethlehem, dem ich angehöre, hatte mir eine Spende mitgegeben. Ein paar Tage vor dem vereinbarten Termin fragte mich der Direktor, ob ich meinen Besuch nicht vorverlegen könne. Sie wollten den Lehrkräften gerne schnellstmöglich ihr Honorar zahlen.
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Einmal auf dem Weg, hast du dich dann in Bethlehem umgeschaut. Dort sah es anders aus als noch drei Tage zuvor in Jerusalem: Gähnende Leere in der Altstadt, der Krippenplatz vor der Geburtskirche war so gut wie menschenleer. Viele Geschäfte waren und sind geschlossen. Keine Ahnung, ob die überhaupt noch mal öffnen werden. Der Olivenholzschnitzer Josef Giaccaman hatte geöffnet, in der Hoffnung, dass sich ein paar Touristen in seinen Laden verirren. Ich habe ein paar Weihnachtsanhänger gekauft und weiß, dass das noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein war.
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Welches Gesamtbild nahmst du von deiner Reise mit nach Hause? Im Mai 2024 war ich zum letzten Mal in der Region. Deshalb hatte ich für meinen aktuellen Besuch nichts Gutes erwartet. Aber diesmal überraschte selbst mich noch manches negativ. Auf meinem Abstecher nach Battir, der Partnerstadt von Brühl, kam ich im Bereich des Weltkulturerbes an einer Siedlung und einem Außenposten vorbei. Oberhalb der Altstadt von Battir liegen die Ruinen der antiken Festung Khirbet el-Yahud, wo der jüdische Militärführer Bar Kochbar zeitweilig gelebt haben soll. Die israelische Altertümerbehörde hat dort ein großes archäologisches Gelände abgeriegelt, das nur noch mit Eintrittskarte betreten werden kann. Diese historische Stätte scheint das gleiche Schicksal zu ereilen wie das antike Herodium südlich von Bethlehem, wo Palästinensern der Zutritt zu ihrem eigenen Land verwehrt wird.
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Wie begegnen dir als Besucherin aus Deutschland die Menschen? Sehr freundlich. Jeden einzelnen Besucher sehen sie als Zeichen, dass man sie nicht vergessen hat und laden ihn schnell zu einem Kaffee oder Tee ein. Ein Ladenbesitzer in der Altstadt von Beit Jala gab mir aber eine besondere Bitte mit auf den Weg: Ihr Deutschen, schaut gerade jetzt nicht weg, wir Palästinenser sind keine schlechten Menschen. Protestiert bei euch laut gegen das Unrecht, das unsere Familien tagtäglich bedroht!
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Nachtrag: Während der Schlussredaktion am 29.5.2025 bringt Spiegel online folgenden Bericht:
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Nahostkonflikt Israel will 22 neue Siedlungen im Westjordanland bauen Geplant sind sowohl neue Siedlungen als auch die Anerkennung von bereits errichteten Außenposten: Israel hat 22 weitere Siedlungen im Westjordanland angekündigt. Der rechtsextreme Minister Smotrich bejubelt die Entscheidung auf X. Smotrich schrieb, dies sei „ein großer Tag für die Besiedlung und ein wichtiger Tag für den Staat Israel“. Es sei gelungen, „eine tiefgreifende strategische Veränderung herbeizuführen“. Die Besiedlung sei „der Schutzwall des Staates Israel“.
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Jörg Bärschneider Für den Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins
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